Professor Dr.-Ing. Fritz Frederich zum 80. Geburtstag
Am 2. September 2016 feierte Professor Fritz Frederich seinen 80. Geburtstag. Frederich war 22 Jahre lang Leiter des Instituts für Fördertechnik und Schienenfahrzeuge, dem heutigen Institut für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme (IFS), der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und prägte dessen weltweit guten Ruf entscheidend mit. Wir, seine Nachfolger, profitieren heute davon und wollen die Gelegenheit zum Dank und zur Gratulation ergreifen.
Fritz Frederich wurde 1936 in Berlin geboren. Wie viele Jugendliche seiner Generation begann er nach der Schule zunächst einmal eine praktische Berufsausbildung und zwar als Maschinenschlosser bei der Daimler-Benz AG in Berlin. Ebenfalls typisch für seine Altersgruppe, denen wegen des Krieges eine höhere Schulbildung versagt blieb, bildete er sich an der Ingenieursschule weiter und qualifizierte sich somit für eine Ausbildung im höheren Dienst bei der Deutschen Bundesbahn.
Anschließend bewarb er sich um ein Studium des Maschinenbaus an der damaligen Technischen Hochschule Braunschweig, heute Technische Universität, welches er 1959 begann und 1964 erfolgreich mit dem Diplom abschloss. Nun trat er eine Stelle als Forschungsassistent am Institut für Fahrzeugtechnik der TH Braunschweig, welches damals unter der Leitung von Professor Paul Kössler stand, an. Kössler forschte und lehrte nicht nur auf dem Gebiet der Kraftfahrzeuge sondern auch über Schienenfahrzeuge und Frederich nahm sich dieses Fachgebiets an. Nach Kösslers Emeritierung übernahm Manfred Mitschke das Institut und Frederich promovierte bei ihm im Jahr 1969 als einer der ersten Doktoranden. Seiner Dissertation mit dem Titel „Beitrag zur Untersuchung der Kraftschlussbeanspruchungen an schrägrollenden Schienenfahrzeugrädern“ bescherte der Fachwelt einen einfachen empirischen Formalismus zur Berechnung des Kraftschlussbeiwertes in Längs- und Querrichtung anhängig von und gegenseitig beeinflusst durch Längs- und Querschlupf.
Der nächste Karriereschritt erfolgte nun in die Industrie. Federich entschied sich für den mittelständischen Schienenfahrzeughersteller DUEWAG in Krefeld-Uerdingen und blieb dort zehn Jahre lang als Leiter Technische Entwicklung. Im Jahr 1979 wurde er dann von der RWTH Aachen als Professor für Fördertechnik und Schienenfahrzeuge an das gleichnamige Institut am Westbahnhof berufen. Frederich blieb dort bis zu seinem Abschied in den Ruhestand im Jahr 2001.
Als ausgebildeter Spurführungstechniker entwickelte Frederich das schon unter seinem Vorgänger Johannes Nöthen aufgebaute Forschungsgebiet des „Gerechneten Fahrversuchs“ mittels computergestützter Mehrkörpersimulation weiter. Als Ingenieur und leidenschaftlicher Konstrukteur wollte er stets die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis und damit in nutzbare Produkte umsetzen. Und so begann er, innovative Fahrwerke zu entwickeln. Am Anfang der 1980er Jahre stand das Konzept eines sehr leichten Drehgestells mit Direktabfederung. Doch schnell wandte er sich ganz neuen Spurführungstechnologien zu, die zumeist auf der Substitution des Radsatzes durch rotatorisch entkoppelte Räder – er nannte sie Einzelräder – basierten. Frederich entwickelte ein sogenanntes Einzelrad-Doppelfahrwerk EDF, welches sehr leicht und für hohe Fahrgeschwindigkeiten ausgelegt war. Auf dem damaligen Rollenprüfstand der Deutschen Bundesbahn in München-Freimann erreichte der EDF-Erprobungsträger eine Fahrgeschwindigkeit von 507 km/h, nur begrenzt durch die Leistungsfähigkeit der Prüfstandmotoren. Das EDF wurde später als Prototyp von der Fa. DUEWAG in Krefeld gebaut und fuhr einige Zeit zu Probezwecken unter einem IC-Reisezugwagen.
Eine weitere noch revolutionärere Entwicklung war das sogenannte selbstregelnde Einzelrad-Einzelfahrwerk EEF für Straßenbahnen. Dieses Einzelachsfahrwerk ist das einzig je entwickelte Fahrwerk mit Achsschenkellenkung. Seine Räder sind in der Lage sich über die Spurführungskräfte selbsttätig tangential im Gleis einzustellen. Zugleich war das EEF so konstruiert, dass es als Lauffahrwerk für die Mitte der 1980er Jahre aufkommende Niederflurtechnik bei Straßenbahnen verwendet werden konnte. Die Fa. DUEWAG, diesmal der Nahverkehrsstandort in Düsseldorf, nahm diesen Konstruktionsvorschlag gern auf und entwickelte das EEF in Serie sowohl für Normal- als auch für Meterspur. Das EEF wurde mehr als 300mal für DUEWAGs 70%-Niederflur-Straßenbahnen gebaut und an neun Verkehrsunternehmen verkauft, wo die Fahrzeuge heute noch laufen.
Ein weiteres Einzelachsfahrwerk, welches Frederich entwickelte, war das sogenannte kupplungsgesteuerte Einzelfahrwerk. Die Achse wurde, wie der Name erahnen lässt, von der Kupplungsstange einer Kurzkupplung zwischen zwei Waggons über ein mechanisches Lenkerhebelgestänge im Bogen radial eingestellt. Das zweite Einzelfahrwerk wurde vom ersten über ein Kreuzankergestänge entgegengesetzt eingestellt. Der Erprobungsträger konnte sowohl als Radsatz- (kREF) und als Einzelradfahrwerk (kEEF) betrieben werden und war Vorbild für die Fahrwerke des Mitte der 1990er Jahre von dem Konsortium Siemens/LHB an die S-Bahn Kopenhagen gelieferten S-Bahnzugs der 4. Generation.
Frederich entwickelte noch zwei weitere Fahrwerkkonzepte die beide am Institut in Erprobungsträger umgesetzt und getestet wurden. Es handelt sich um das S22L-Einzelachsfahrwerk, welches einerseits über einen Regelungsmechanismus am Achsgetriebe verfügt um den ungewünschten Wellenlauf zu eliminieren und andererseits mit mittels Sperrmassenschaltung in der Primärstufe weniger Schwingungen zum Wagenkasten durchlässt. Die zweite Entwicklung war ein auf konsequenten Leichtbau und Funktionsintegration getrimmtes Einzelrad-Doppelfahrwerk namens Integral.
Für seine Leistungen bei der Entwicklung innovativer Fahrwerkkonzepte erhielt Frederich 1997 den Aachener und Münchner Preis für Technik und angewandte Naturwissenschaften. Ein Jahr zuvor hatte er bereits für das Integral den Designpreis des Industrieforums Design der Hannover Messe und 1989 für das EDF den Stahl-Innovationspreis erhalten.
Aus heutiger Sicht vielleicht noch wichtiger als die Fahrwerkentwicklungen waren Frederichs Forschungen auf den Gebiet des Fahrerlosen Schienenverkehrs, heute ein brandheißes Thema in der Branche. Er entwickelte ein Konzept einer Lokomotive die, über Funk mit den Signalen kommunizierend, ihren Weg selbstständig mit Hilfe des im bordeigenen Computer gespeicherten Streckenplans findet. Später erweiterte er dieses Konzept des Selbstständigen, Signalgeführten Triebfahrzeugs SST zum Selbstorganisierenden Güterverkehr SOG. Hier kommunizieren Triebfahrzeuge per Funk untereinander, z. B. wer an einer Weiche Vorfahrt hat und stellen sich auch selbst die Weichen. Leider blieb es beim Probebetrieb bei der VW-Werksbahn. Frederich erkannte zudem, dass automatischer Schienenverkehr auch die Notwendigkeit des automatischen Kuppelns mit einschließt und führte erste Untersuchungen zur Entwicklung eines Geräts zur automatischen (Ent-)Kupplung von Güterwaggons mit Schraubenkupplung durch.
Frederich war von 1988 bis 2002 ein sehr engagierter Herausgeber von ZEV Glasers Annalen. Er hat in dieser Zeit viele wichtige Impulse gegeben und nicht zuletzt die Weiterentwicklung zur heutigen ZEVrail maßgeblich mitgestaltet.
Die Unterzeichner zehren noch heute von diesen Forschungen, bedanken sich vielmals und wünschen Fritz Frederich alles Gute und weiterhin beste Gesundheit.
Torsten Dellmann und Christian Schindler, Aachen
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