TU Graz realisiert neuartigen Bremsenprüfstand für Schienenfahrzeuge
Schienenfahrzeughersteller können ab 2023 ihre Bremssysteme am Campusgelände der TU Graz prüfen und zertifizieren lassen. Darüber hinaus erlaubt der neuartige Prüfstand erstmals Untersuchungen von Bremsbelastungen und deren Auswirkungen auf das komplette Fahrwerk. Konventionelle Prüfstände dieser Art funktionieren mit Stahlscheiben mit Massen von mehreren Tonnen je Scheibe, welche – angetrieben von einem vergleichsweise kleineren Motor – eine enorme Energie speichern können. Diese rotierenden Schwungmassen simulieren die Trägheit eines Schienenfahrzeugs und werden mit den zu prüfenden Bremsen abgebremst. Der neue Bremsenprüfstand der TU Graz beruht auf einem innovativen Konzept. Statt Schwungmassen kommt ein vergleichsweise größerer E-Motor mit 1,4 Megawatt Leistung zum Einsatz. Das ermöglicht flexible Testszenarien mit rasch veränderlichen Beanspruchungen. Geprüft werden dabei auch Bremssysteme von Hochgeschwindigkeitszügen mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 km/h. Mehr noch: Das innovative Antriebssystem eröffnet eine Vielzahl neuer fahrzeugspezifischer Versuche – von Bremsungen bis zum vollständigen Stillstand sowie Parkbrems- und Halteruckversuche. Darüber hinaus zählt der Prüfstand zwei Prüfkammern mit jeweils einer eigenen E-Maschine. Eine Prüfkammer steht für Standard-Prüfungen von Einzelkomponenten wie Scheiben- oder Klotzbremsen zur Verfügung. Die zweite Prüfkammer erfüllt zusätzlich spezielle Funktionalitäten für weitere Versuchsszenarien mit größerem Platzbedarf. Für Konzeptionierung und Umsetzung des Prüfstands verantwortlich zeichnet das weltweit tätige Technologieunternehmen KS Engineers. Der 600-köpfige Betrieb, mit Hauptsitz in Graz, ist ein international führender Anbieter von Prüfständen und Prüftechnik für die Automobil- und Motorenindustrie. Derzeit läuft die finale Designphase, im Frühjahr 2022 möchte man in die Fertigung gehen. Die Investitionskosten belaufen sich auf mehrere Millionen Euro. Die Halle für den Prüfstand am Campus Inffeldgasse wurde bereits fertiggestellt, wobei aktuell die letzten Adaptierungsarbeiten durchgeführt werden. Der Prüfstand wird elastisch und dämpfend auf Luftfedern gelagert damit die Schwingungen, die bei den Versuchen entstehen, nicht ins Gebäude übergehen und Schäden verursachen. Der Aufbau der einzelnen Prüfstandskomponenten soll im Sommer 2022 beginnen. Danach starten Vorversuche für die Abnahme: Martin Leitner (TU Graz) und sein Team, allen voran Laborleiter Peter Brunnhofer, haben die Akkreditierung nach ISO/IEC 17025 sowie die UIC-Zertifizierung als Ziel. Der reguläre Prüfbetrieb soll 2023 starten, wobei erste Kooperationspartner bereits Interesse bekundet haben.