Studie empfiehlt Ausbau der Ruhr-Sieg- und Siegstrecke zur Entlastung des Mittelrheintals
Der Ausbau der Ruhr-Sieg- und der Siegstrecke Hagen/Köln–Siegen–Gießen ist die einzige brauchbare Alternative, um die Bahnstrecken im Mittelrheintal zu entlasten. Das ist das Ergebnis einer Korridorstudie, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vorgestellt hat. In der Studie („Entwicklung einer verkehrlichen Konzeption für den Eisenbahnkorridor Mittelrheinachse – Rhein/Main–Rhein/Neckar–Karlsruhe“) wurden im Vorfeld der Bundesverkehrswegeplanung Varianten zur Entlastung der Rheintalstrecken im gesamten Korridor zwischen Köln und Karlsruhe untersucht. Auch für den Ausbau der Schieneninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen werden Empfehlungen gegeben. Als einzige Umgehungsstrecke zu den Strecken im Rheintal mit nennenswertem Potential wurde in der Untersuchung die Ruhr/Rhein-Sieg-Achse Hagen/Köln–Siegen–Gießen–Hanau ermittelt. Nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Michael Groschek kann so gleichzeitig die Lärmentlastung des Mittelrheintals mit einer verbesserten Schienenanbindung der Region Siegen verknüpft werden. Die Vorschläge des Gutachtens machen demnach die Durchführung kombinierter Verkehre in alle Richtungen möglich, schaffen eine bessere Betriebsqualität für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auf der Siegstrecke und bringen für die Anwohner modernen Lärmschutz nach dem neuesten Stand der Technik. Damit gebe es für diese wichtigen Infrastrukturinvestitionen endlich eine Realisierungsperspektive. Für Züge der Verbindung der ARA-Häfen (Amsterdam–Rotterdam–Antwerpen)/Ruhrgebiet mit Bayern/Österreich/Südosteuropa stellt die Strecke über Siegen eine um 40 km kürzere und damit attraktivere Wegführung im Vergleich zu den beiden Strecken links und rechts des Rheins dar. Mit vergleichsweise geringem Aufwand ließe sich durch die Ruhr/Rhein-Sieg-Achse bereits zeitnah und rentabel eine spürbare Entlastung der Strecken im Mittelrheintal erzielen. Bei Realisierung etwas umfangreicherer Ausbauten könnte sich die Entlastungswirkung noch deutlich erhöhen. Die Ruhr/Rhein-Sieg-Achse biete damit langfristig weiteres Ausbaupotential.
Erste Maßnahmen wären der zweigleisige Ausbau der Strecke Siegen–Siegen-Ost, die Herstellung des durchgängigen Streckenprofils für den Transport von Ladeeinheiten im Kombinierten Verkehr (KV-Profil), die Zweigleisigkeit auf der Strecke Troisdorf–Siegen und die Blockverdichtung für eine schnellere Zugfolge. Beide Strecken waren bis zu Rückbauten nach dem 2. Weltkrieg zweigleisig.
Der Vorschlag der Gutachter zu einem zweistufigen Ausbau der Ruhr/Rhein-Sieg-Achse wird nun im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung einer Nutzen-Kosten-Analyse unterzogen. Bei der letzten Überprüfung des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes im Jahr 2010 war eine Ertüchtigung der Strecke noch als unwirtschaftlich eingestuft worden.
Die Mittelrheinstrecke besteht aus zwei Eisenbahnhauptstrecken, der rechten Rheinstrecke (Köln-) Troisdorf–Bonn-Beuel–Neuwied–Koblenz-Ehrenbreitstein–Lahnstein–Rüdesheim–Wiesbaden und der linken Rheinstrecke Köln–Bonn–Koblenz–Bingen–Mainz. Beide Strecken gehören zu den am stärksten belasteten Bahnstrecken in Deutschland. Wegen der sehr engen Randbebauung werden die Anwohner erheblich durch den Lärm vor allem der Güterzüge belastet. Die Lage der Strecken im engen Rheintal verschärft die Lärmproblematik zusätzlich.
Zur Auflösung der Engpässe (in NRW insbesondere linksrheinisch südlich von Köln durch den dort verkehrenden Schienenpersonenverkehr) untersuchte das BMVI alle relevanten Alternativen zur Rheintalstrecke zwischen Köln und Mainz/Wiesbaden über Mannheim bis zur Landesgrenze Deutschland/Schweiz. Neben einigen Varianten der zentralen Strecke Rhein-Main–Rhein-Neckar wurden innerhalb der Studie auch verschiedene Alternativen untersucht, die zu einer Entlastung des Rheintals in Nordrhein-Westfalen südlich von Köln führen können. Das Land NRW hatte hierfür neben dem Maßnahmenpaket Knoten Köln die Ausweichstrecken Ruhr-Sieg-Strecke (Hagen–Gießen) und Sieg-Strecke (Troisdorf–Siegen) zur Überprüfung angemeldet.
Zu differenzieren ist zwischen Kapazitätsausweitung und Lärmentlastung. Eine Kapazitätsausweitung ist auch für den Hafenhinterlandverkehr wichtig. So kann der Knoten Köln bei Führung der Züge über die insgesamt wenig genutzte Ruhr-Sieg-Strecke ab Hagen entlastet werden. Die weitgehend zweigleisige Ruhr-Sieg-Strecke wird heute kaum von Güterzügen und abschnittsweise nur von einem stündlichen Regionalzugpaar genutzt. Die Rheinstrecken sind so stark belastet, dass es auf der rechten Rheinstrecke bei baustellenbedingten Umleitungen von Fernverkehrsreisezügen zu einem Güterzugrückstau auf der Gesamtstrecke kommt. Ob hingegen der Lärm durch die Verlagerung der Verkehre gemindert wird, ist eine andere Frage. Die künftig zu befahrenden Strecken führen an Ruhr und Sieg durch noch engere Täler als die Strecke am Rhein, so dass trotz Lärmschutzwänden hier mit negativen Auswirkungen zu rechnen ist. Der Anwohnerprotest ist allerdings wegen der bisher weniger stark befahrenen Strecken geringer als im Mittelrheintal.
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