Gotthard-Basistunnel eröffnet – Probebetrieb bis Dezember 2016
Nach insgesamt 17jähriger Bauzeit wurde am 1. Juni 2016 der 57 km lange zweiröhrige Gotthard-Basistunnel in der Schweiz offiziell eröffnet. Er ist der längste Eisenbahntunnel der Welt. Die neue Strecke ermöglicht mehr Güterverkehr auf der Schiene statt auf der Straße, den Einsatz längerer und schwererer Züge und kürzere Reisezeiten. Die Kapazitäten steigen. Pro Tag werden bis zu 65 Personenzüge mit Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h und 260 Güterzüge mit Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h verkehren. Der eigentliche Tunnelbau fand in den Jahren 1999 bis 2008 statt. Auf Basis der fortgeschrittenen Rohbauarbeiten erfolgten im Zeitraum von 2008 bis 2016 die Planung, der Einbau und die Inbetriebsetzung der Bahntechnik durch den Bahntechnik-Generalunternehmer Transtec Gotthard. Die Arbeitsgemeinschaft Transtec Gotthard besteht aus Alpiq InTec AG, Alcatel-Lucent Schweiz AG (NOKIA) / Thales Rail Signalling Solutions AG, Balfour Beatty Rail GmbH und Heitkamp Construction Swiss GmbH. Die Transtec Gotthard hat das Gesamtsystem Bahntechnik am 31. Mai 2016 an die Bauherrin AlpTransit Gotthard AG zur Weiterreichung an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) übergeben. Die SBB haben am 1. Juni 2016 den Probebetrieb aufgenommen. Der fahrplanmäßige Betrieb beginnt am 11. Dezember 2016.
Der Werkvertrag der Arbeitsgemeinschaft für Bahntechnik im Wert von 1,98 Mrd. CHF beinhaltete die Fahrbahn, die Fahrstromversorgung 16,7 Hz, die Stromversorgungen 50 Hz, die Kabelanlagen, das Datennetz, das Funknetz, die Tunnelleittechnik sowie die Stellwerke und Bahnsicherungsanlagen. Während der Haupteinbauphase der Bahntechnik waren ca. 700 Mitarbeiter beschäftigt. Der Auftrag umfasste Planung, Entwicklung, Fabrikation, Lieferung und Montage der gesamten bahntechnischen Ausrüstung des Gotthard-Basistunnels in den beiden einspurigen Tunnelröhren, den Querschlägen, den Bahntechnikgebäuden inklusive den offenen Neubaustrecken Nord und Süd, sowie die Integration, Inbetriebsetzung und Erhaltung des Werks. Der Einbau der Bahntechnik erfolgte über die beiden Portale im Norden und Süden. Wegen der engen Platzverhältnisse im Tunnel wurden sämtliche Materialien über die Schiene eingebracht. Die logistische Basis bildeten die Installationsplätze in Erstfeld/Rynächt und Biasca. Über 1 000 technische Schnittstellen mussten aufeinander abgestimmt werden. Im Testbetrieb wurden bei 2 551 Testfahrten 102 156 km zurück gelegt. Die betriebliche Höchstgeschwindigkeit im Tunnel beträgt 250 km/h. In enger Zusammenarbeit mit der Bauherrin, der AlpTransit Gotthard AG, konnte die Transtec Gotthard nach der Auftragsvergabe eine Verkürzung der Bauzeit um ein Jahr realisieren. Dank umfassender Terminplanung, hoher Kompetenz der Mitarbeiter und effizienter Umsetzungsprozesse konnten alle Arbeiten termingerecht ausgeführt werden. Seit dem 1. Oktober 2015 war das Gesamtsystem Bahntechnik im Testbetrieb. Die Prüfungen von Komponenten, Teilsystemen und des Gesamtsystems sind erfolgreich verlaufen. Die Sicherheitsanforderungen konnten erfolgreich nachgewiesen und erfüllt werden.
Nach Ansicht des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) ist der Gotthard-Basistunnel ein Leuchtturmprojekt für den Klimaschutz, den Alpenschutz und den Schienenverkehr in ganz Europa. Im Zusammenhang mit der Eröffnung lobte der VDB die glänzende Verkehrsplanung der Schweiz als vorbildlich, auch für Deutschland. Er forderte ein klares politisches Bekenntnis zur Schiene und eine konsequent europäisch ausgerichtete Investitionspolitik für den Schienenverkehr. Nach Ansicht der Allianz pro Schiene ist die Eröffnung eine verkehrspolitische Großtat. Der Tunnel ist demnach eingebettet in ein weitsichtiges, von den Bürgern mitgetragenes Verlagerungskonzept, das inzwischen fast 70 % der alpenquerenden Güter auf die Schiene geholt habe. Michail Stahlhut, Vorstand von SBB Cargo International, geht davon aus, dass durch den neuen Basistunnel bei gleicher Zugzahl 30 % der aktuellen Straßentonnage auf die Schiene verlagert werden kann, weil die Züge durch den neuen Tunnel auf 740 m verlängert werden können. Auch in Italien erfolgt der Ausbau auf 740 m lange Züge. Im deutschen Bundesverkehrswegeplan liege diese Entscheidung überraschenderweise aber noch auf Eis. Mit vergleichsweise wenig Geld (ca. 60 Mio. €) ließe sich ein großer Effizienzschub erreichen. Der Ausbau des deutschen und europäischen Schienennetzes für eine systematische Befahrbarkeit von 740 m langen Güterzügen bietet aus Sicht von Harald Kreft, Leiter der Hamburger Hafenbahn, ein ähnliches Potential wie der Bau des Gotthard-Basistunnel. Beim Ausbau der Infrastruktur für den Gütertransport auf der Schiene ist Deutschland ins Hintertreffen geraten. Die bereits im Jahr 1996 auf Regierungsebene vereinbarte Trasse von Rotterdam nach Genua ist auf niederländischer Seite bereits seit dem Jahr 2007 fertig, im gleichen Jahr eröffnete die Schweiz den Lötschberg-Basistunnel. Nun folgte der Gotthard-Basistunnel. Mit der Inbetriebnahme des südlich des Gotthard gelegenen Ceneri-Basistunnels wird im Jahr 2020 eine alpenquerende Flachbahn die Begrenzungen durch die bisherigen Zughakengrenzlasten beseitigen und durchgehend schwere Güterzüge erlauben. Der in Deutschland gelegene viergleisige Ausbau Karlsruhe–Basel soll laut Bundesverkehrsministerium erst im Jahr 2035, der Vollausbau sogar erst im Jahr 2041 vollendet sein.
Die Eröffnungsfeierlichkeiten hatten mit der Zusammenkunft der eintausend ausgelosten Vertreterinnen und Vertreter aus der Schweizer Bevölkerung für die ersten Fahrten durch den Tunnel begonnen. Für die Fahrten hatten sich 160 000 Interessierte beworben. Erst nach diesen Eröffnungsfahrten fuhren die Funktionsträger und Staatsgäste durch den Tunnel (Bild 1). Teil der Eröffnungsfeier war ein künstlerisches Spektakel unter der Regie von Volker Hesse, bei dem mehrere hundert Artisten und Laiendarsteller mitwirkten (Bild 2). Bereits zuvor wurde in der Nähe des Nord-Portals eine Gedenkstätte eingeweiht für die neun Personen, welche beim Bau des Gotthard-Basistunnels ums Leben kamen. Dazu waren auch Angehörige der verstorbenen Mitarbeitenden eingeladen. Am frühen Morgen des 1. Juni wurde überdies im Zugangsstollen Amsteg der Tunnel in einer interreligiösen Zeremonie gesegnet. Am Vorabend der Eröffnungsfeierlichkeiten fanden in Lugano eine Verkehrsministerkonferenz und ein Treffen europäischer Bahn-Chefs statt. Die Minister und Bahnchefs nahmen dann zusammen mit dem Gesamt-Bundesrat, dem Schweizer Parlament und vielen weiteren Gästen an der Eröffnungsfeier teil. Die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Liechtenstein sowie die EU-Verkehrskommissarin nahmen teil. Am 2. Juni folgte das Fest der Projektbeteiligten, organisiert von der AlpTranist Gotthard, und am 3. Juni die Fahrt des ersten Güterzugs durch den Tunnel. Am Wochenende vom 4. bis 5. Juni war unter Federführung der SBB die Bevölkerung zum Publikumsfest an den beiden Portalen eingeladen (Bild 3).
Info: www.gottardo2016.ch, www.transtec-gotthard.ch,
www.corridor-rhine-alpine.eu/files/downloads/others/Longer-Train-Study-740m.pdf
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