Modernste Technik von SKF für den ICE 4
Die Personenzug-Baureihe ICE 4 wird künftig das Rückgrat des Fernverkehrsnetzes der Deutschen Bahn (DB) bilden. Der modulare Aufbau des neuen Zuges ermöglicht es, Baugruppen zu tauschen – daher eignet er sich für die unterschiedlichsten Anwendungen im deutschen Eisenbahnnetz. SKF ist seit 2012 in dieses 6-Mrd.-Euro-Projekt involviert und arbeitet dabei direkt mit dem Konsortium bestehend aus Siemens, dem Hersteller des neuen Zugs, und Bombardier, dem Hersteller von Stahlwagenkästen und Laufdrehgestellen, zusammen.
Die von Bombardier stammenden und unter der Bezeichnung BOMBARDIER FLEXX Eco geführten Laufdrehgestelle haben innengelagerte Lagersätze, sind dadurch leichter und verbrauchen weniger Energie. Für diese Anwendung entwickelte SKF eine spezielle Kegelrollen-Radsatzlagereinheit (TBU) mit integrierten Sensoren zur Überwachung von Drehzahlen und Drehrichtung jedes einzelnen Radsatzes. Die Integration der Sensoren in die eigentliche Lagereinheit reduziert den Platzbedarf für die gesamte Baugruppe. Für den Einsatz in der Steuerung der Bremsausrüstung des Zuges wurden die von den Sensoren abgesetzten Signale spezifisch auf die Anforderungen des Auftraggebers abgestimmt. Die Sicherheitsrelevanz dieser Anwendung bestimmt das Redundanzniveau, daher sind beide Lagereinheiten auf jeder Achse mit Doppelsensoren ausgerüstet. Ein weiterer Sensor pro Lager überwacht dessen Betriebstemperatur und ist eine wichtige Frühwarnanzeige bei Temperaturanstieg.
Moderne Intercityzüge müssen hochgesteckte Anforderungen an Zuverlässigkeit und lange Instandhaltungsintervalle erfüllen. Die kundenseitigen Spezifikationen gaben eine rechnerische Lagerlebensdauer von 3,3 Mio. km vor. Entscheidend für die Verlängerung der Instandhaltungsintervalle bei Kegelrollen-Radsatzlagereinheiten (TBU) ist die Reibungsminimierung und die damit verbundene Senkung der Betriebstemperaturen. Denn so kann der Schmierstoff im Lager länger wirken. Die Lieferung von Lagern und Sensoren in abgedichteten, gefetteten Einheiten ist für den Kunden gleich mehrfach vorteilhaft – sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion, mit weniger, aber eindeutig definierten Schnittstellen zwischen Lagern, Sensoren und anderen Teilen des Zugs.
Die von Siemens entwickelten Triebdrehgestelle fungieren mit traditionelleren Außenlagerungen. Einmal mehr entschied sich das Unternehmen für eine integrierte Lagerungslösung, dieses Mal allerdings für Zylinderrollenlager. Für die Triebdrehgestelle galten noch strengere Haltbarkeitsvorgaben; hier forderte der Kunde 1,65 Mio. km vor dem Lagerservice. Zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit und Leistung mussten sämtliche neuen Lagereinheiten zweijährige, mehrstufige Versuche und Validierungsprozesse durchlaufen. Die Validierung begann mit einer Computersimulation der Konstruktion in einem virtuellen Umfeld. Danach testete SKF die Lager unter Realbedingungen im werkseigenen Testcenter in den Niederlanden, der größten Anlage ihrer Art in ganz Europa, um Lager unter realistischen Bedingungen zu prüfen. Prototypen der Lagereinheiten wurden in echten ICE 4-Radsatzlagergehäusen eingebaut und liefen umgerechnet 800 000 km; dabei wurden Lagertemperatur und -leistung akribisch überwacht. Dieser für die Simulation von verschiedensten Betriebsbedingungen ausgelegte Test dauert etwa vier Monate. Weitere Tests mit in Zugprototypen eingebauten Lagern wurden von Siemens in deren Test- und Validierungscenter in Wegberg-Wildenrath, Deutschland, durchgeführt, gefolgt von Feldtests im DB-Netz.
Bei den Triebfahrzeugen fiel die Wahl von energieeffizienten Kegelrollenlagern für die Hauptgetriebe-Abtriebswellen mit einem Bohrungsdurchmesser von 240 mm ebenfalls auf SKF.
SKF hat außerdem ein speziell modifiziertes Rillenkugellager entwickelt, das hohen axialen Stoßbelastungen standhält, und liefert Zylinderrollenlager für den Einsatz in den Fahrmotoren der Züge.
2014 lieferte Siemens die ersten Prototypen an die DB, und mit den Betriebstests im öffentlichen Netz wurde 2016 begonnen. Im laufenden Jahr sind die ersten ICE 4 offiziell in Betrieb gegangen. Zunächst soll der ICE 4 die derzeitige Intercity- und Eurocity-Flotten der DB ersetzen, von denen einige bereits seit den 1970er Jahren in Betrieb sind. Die neue Baureihe wird dann auch die ICE 1- und ICE 2-Einheiten ersetzen, was nach Umsätzen einem Anteil von ca. 70 % des öffentlichen Fernverkehrs der DB entsprechen würde. Die DB hat 130 neue Züge fest bestellt, und gemäß Rahmenvertrag mit Siemens sind bis zu 300 Züge vorgesehen.